Neue Formen der Freiwilligenarbeit

Die Idee, im sozialmedizinischen Bereich freiwillige Helferinnen und Helfer einzusetzen, entstand in den Vereinigten Staaten. Dort engagierten sich während des Zweiten Weltkriegs «Grey Ladies» (graue Damen), die wegen der Farbe ihrer Uniform so genannt wurden. Sie begaben sich in die Militärspitäler und sorgten für das körperliche und seelische Wohl der rekonvaleszenten Soldaten. Nach dem Krieg wurde diese freiwillige Tätigkeit im zivilen Bereich fortgesetzt und auch in verschiedenen europäischen Ländern übernommen, vor allem in Skandinavien, den Niederlanden, Grossbritannien und Deutschland. 

Das Gegenstück zu den angelsächsischen «Grey Ladies» waren in der Schweiz die freiwilligen Helferinnen des SRK. Sie besuchten verletzliche Menschen im Spital, im Heim oder zu Hause, um sie moralisch oder materiell zu unterstützen. Als erste Sektion nahm Zürich die freiwillige Hilfe 1952 in ihr Tätigkeitsprogramm auf. Die ersten Zürcher Freiwilligen wurden unter den ehemaligen Mitarbeiterinnen der Kinderhilfe rekrutiert. Von 12 Personen im Jahr 1952 erhöhte sich ihr Bestand bis 1960 auf über 300 Helferinnen. 

Von der Beschäftigungstherapie zur Ergotherapie

Um betroffene Menschen aus ihrer Isolation herauszuholen und zu beschäftigen, führten die freiwilligen Helferinnen des Roten Kreuzes Zürich Bastel- und Handarbeiten wie Flechten, Weben, Sticken, Stricken usw. mit ihnen durch. Während die manuellen Arbeiten zunächst nur als ablenkende Freizeitbeschäftigung gegolten hatten, verstand man sie mit der Zeit zunehmend als wirksame therapeutische Massnahmen. 1953 wurde in Zürich die erste Ergotherapieabteilung des Roten Kreuzes offiziell eröffnet.

In Zusammenarbeit mit freiwilligen Helferinnen des Roten Kreuzes kümmerte sich nun eine professionelle Ergotherapeutin um ältere, kranke und behinderte Menschen und unterstützte sie bei der Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Selbstständigkeit. Schrittweise wurde die Ergotherapie auch von anderen regionalen Rotkreuzsektionen eingeführt. 1963 eröffnete die Sektion Lausanne die erste Ergotherapieabteilung in der Westschweiz, zwei Jahre darauf folgte die Sektion Genf. 1965 beschäftigte das SRK in den Sektionen Zürich, Basel, Genf, Glarus, Horgen/Affoltern, Lausanne und St. Gallen insgesamt zehn diplomierte Ergotherapeutinnen. Wie die folgende Übersicht zeigt, stieg ihre Zahl im Lauf der Jahre stetig an: 

1970: 9586 Einzelbehandlungen und 19'023 Gruppentherapien
1975: 14'178 Einzelbehandlungen und 36'319 Gruppentherapien
1979: 18'122 Einzelbehandlungen und 45'118 Gruppentherapien

Entwicklung der Freiwilligenarbeit

Ab den 1960er-Jahren wurde die Freiwilligenarbeit im sozialmedizinischen Bereich ausgebaut (Aktivierungsangebote, Besuche bei älteren Menschen, Fahrdienst für Menschen mit Behinderung, mobile Bibliotheken usw.). Damit reagierte man auf die neuen Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit der Alterung der Bevölkerung und der Betreuung von Menschen mit Behinderung stellten. 1961 erweiterten die Sektionen Baden, Bellinzona, Bern-Oberland, Freiamt, Freiburg, Neuenburg, Olten, Val-de-Ruz, Winterthur und Zug ihre Leistungspalette mit einem Angebot zur Unterstützung älterer, kranker und behinderter Menschen. 1965 engagierten sich insgesamt 1481 freiwillige Helferinnen und Helfer in 27 Rotkreuzsektionen. Neu gab es Einführungskurse für die Freiwilligen, und das Leistungsangebot der Sektionen wurde immer vielfältiger. 1975 konnten 45 Sektionen auf die regelmässige Mitarbeit von insgesamt 1800 freiwilligen Helferinnen und Helfern zählen. Bis heute hat sich diese Zahl stetig erhöht: Gegenwärtig setzen sich rund 72'000 Freiwillige für das Schweizerische Rote Kreuz ein.

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