Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts konnte sich das Rote Kreuz in der Schweiz etablieren. Diese Entwicklung erfolgte parallel zur Herausbildung des Nationalstaats, zur Entstehung der modernen Schweiz und zu einem immer stärkeren Gefühl der nationalen Zugehörigkeit. Wie anderen überkantonalen Gesellschaften und Institutionen kam dem SRK in diesem Prozess eine wichtige symbolische Bedeutung zu: Als Organisation, die mit patriotischen Gefühlen in Verbindung gebracht werden konnte, war es gewissermassen ein Schmelztiegel für die Formung der schweizerischen Identität.
Dennoch war das SRK zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiterhin eine verhältnismässig schwache nationale Gesellschaft mit einem sehr eingeschränkten Tätigkeitsspektrum. 1895 zählte es nur 8700 Mitglieder, die 19 Sektionen angehörten. Sein Vermögen belief sich auf knapp 70'000 Franken. Zudem waren seine Sektionen sehr ungleich über die Schweiz verteilt und hauptsächlich auf die städtischen Regionen in der Deutschschweiz konzentriert. Den entscheidenden Impuls erhielt das SRK vom Zürcher Pfarrer Walter Kempin, der es 1882 «neu gründete». Doch der wichtigste Architekt der Organisation war der Berner Arzt Walther Sahli, der erste Generalsekretär des SRK. Er veranlasste in den Jahren von 1898 bis 1916 eine tief greifende Reorganisation.