Das SRK in Südvietnam

Der Vietnamkrieg war bereits rund zehn Jahre im Gang, als sich das SRK zu einem Hilfseinsatz entschied. Auf Anfrage des IKRK erklärte es sich im Dezember 1965 bereit, medizinisches Personal nach Südvietnam zu entsenden. Zu jener Zeit engagierte sich das SRK bereits in zwei humanitären Missionen im Kongo und im Jemen. Deshalb wurden zusätzliche Mittel benötigt. Unverzüglich wurde eine neue Patenschaftskampagne lanciert. Auf diesen Aufruf meldeten sich innerhalb von vier Monaten rund 6000 Patinnen und Paten. 

Zahlreiche Einsatzbereiche

Unter der Leitung von Dr. Stückelberger richteten sich die Schweizer Helferinnen und Helfer im April 1966 in Kontum ein. Die Kleinstadt liegt auf einer Hochebene im Landesinnern und zählte damals rund 20'000 Einwohner. Das Team aus der Schweiz bestand aus drei Ärzten, zwei Krankenschwestern, drei Krankenpflegern, einem Radiologen und einem Verwalter. Es löste eine Sanitätseinheit aus den Philippinen ab, die das Spital der Stadt mit 145 Betten bis dahin geleitet hatte. Neben den Abteilungen für Chirurgie, innere Medizin und Pädiatrie betrieb das SRK auch eine Poliklinik, in der rund 100 Konsultationen pro Tag durchgeführt wurden. 

Die Ärzte des SRK behandelten nicht nur kranke und verletzte Zivilpersonen in der Provinzhauptstadt. Sie reisten auch in abgelegene Gebiete und kümmerten sich um die Bewohner der Bergregion, die als noch sehr einfache Bevölkerungsgruppe beschrieben wurden. Diese Menschen litten besonders stark unter den Folgen des Krieges: Unter ihnen grassierten Krankheiten wie Typhus, Cholera, Malaria, Tuberkulose und Lepra. Man richtete eine kleine Krankenstation für sie ein. Da in den schwer zugänglichen Dörfern auch viele Flüchtlinge Zuflucht gesucht hatten, wurde die Ernährungslage in der Region immer prekärer. 

Dank der grosszügigen Unterstützung der Patinnen und Paten konnte das SRK innert kurzer Zeit die benötigten Lebensmittel verteilen. Immer wieder mussten die freiwilligen Helferinnen und Helfer aus der Schweiz die Prioritäten und Ziele ihres Einsatzes neu beurteilen und festlegen. Dies erforderte grosse Anpassungsfähigkeit, Eigeninitiative und persönliches Engagement. Angesichts der dringend benötigten Hilfe engagierte sich eine Schweizer Krankenschwester in der Leprastation von Kontum, während ein Krankenpfleger in einem Zentrum für Invalide in Saigon arbeitete. Dort erhielten Menschen mit amputierten Gliedmassen eine Prothese und konnten anschliessend ein Rehabilitationsprogramm absolvieren. 

Ausbau der Pädiatrie

Das zweite breit angelegte Projekt des SRK in Südvietnam war auf die Kindermedizin ausgerichtet: In der Stadt Da Nang, rund 100 Kilometer nordöstlich von Kontum, liess es eine pädiatrische Klinik errichten. Die Baukosten von 220'000 Franken wurden je zur Hälfte durch den Bund und durch Schweizer Patenschaften finanziert. Insgesamt dauerten die Bauarbeiten sieben Monate. Im Oktober 1967 nahm ein Schweizer Pädiatrieteam unter der Leitung von Dr. Peter Sing für ein Jahr seine Tätigkeit in der kleinen Küstenstadt auf. Mit dem buddhistischen Waisenhaus in Da Nang realisierte das SRK ein weiteres Projekt, mit dem ein bedeutender Beitrag zur Betreuung kriegsversehrter vietnamesischer Kinder geleistet wurde. 

Wie ihre Landsleute, die sich im Kongo engagierten, leisteten die in Südvietnam tätigen Schweizer Helferinnen und Helfer nicht nur humanitäre Nothilfe. Sie strebten auch eine nachhaltige Wirkung ihres Hilfseinsatzes an: Sie unterstützten die Entwicklung des Vietnamesischen Roten Kreuzes und bildeten einheimisches Pflegepersonal aus, damit dieses eines Tages die Nachfolge des medizinischen Personals aus der Schweiz antreten konnte. Zu diesem Zweck wurden mit finanzieller Unterstützung des Bundes pädiatrische Ausbildungsaufenthalte für vietnamesische Krankenschwestern und Ärzte an Schweizer Kliniken organisiert. 

50 Jahre Präsenz in Vietnam

Wegen einer Militäroffensive musste das medizinische Team aus der Schweiz das Spital in Kontum im Februar 1968 überstürzt verlassen. Einige Monate danach nahm eine neue Delegation des SRK in einer anderen südvietnamesischen Provinz ihre Tätigkeit auf. Im Spital der Kleinstadt Ha Tien in der Nähe der kambodschanischen Grenze versorgte dieses sechsköpfige Chirurgieteam eine grosse Zahl von Kriegsverletzten. 

1970 zogen sich die beiden Teams des SRK offiziell aus Vietnam zurück. Doch damit wurden die solidarischen Beziehungen der Schweiz mit Südvietnam nicht abgebrochen. Es wurde weiterhin ein intensiver Austausch gepflegt, und dank den Schweizer Patenschaften konnte in der Gesundheitsversorgung des Landes noch während langer Zeit wenigstens der dringendste Bedarf gedeckt werden. 2016 ist das SRK noch immer in Vietnam präsent. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt heute in der Katastrophenvorsorge im Zusammenhang mit Naturgefahren und in der Wiederaufbauhilfe.

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