Ärztemission des SRK in Korea

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die koreanische Halbinsel geteilt: in die proamerikanische Republik Korea im Süden und die prorussische Volksrepublik Korea im Norden. Im Juni 1950 brach dort ein Krieg aus. Als Schauplatz einer geostrategischen Auseinandersetzung zwischen China und Japan wurde die koreanische Halbinsel zum Vorposten des ideologischen Konflikts zwischen den USA und der Sowjetunion. Der drei Jahre anhaltende Konflikt hatte verheerende Auswirkungen und führte zu einer Aufspaltung Koreas in zwei sich feindlich gesinnte Staaten. Bereits während des Kriegs startete die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) ein zweistufiges Hilfsprogramm. Dieses umfasste zum einen Nothilfe für die Bevölkerung und die Flüchtlinge und zum anderen eine mehrjährige Wiederaufbauhilfe unter der Leitung der Organisation der Vereinten Nationen für den Wiederaufbau in Korea (UNKRA, United Nations Korean Reconstruction Agency).

Bekenntnis zu Neutralität und Solidarität

Auf Initiative von Bundesrat Max Petitpierre engagierte sich die Schweiz seit Anfang der 1950er-Jahre im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei standen humanitäre und ethische Beweggründe im Vordergrund. Da die Schweiz nicht Mitglied der UNO war, beschränkte sich ihr Beitrag auf Finanzhilfe. Mit dieser wurden die sogenannten «technischen» Massnahmen der Vereinten Nationen unterstützt. 1951 verabschiedeten die eidgenössischen Räte einen ersten Entwicklungshilfekredit in Höhe von einer Million Franken. 

Während rund zehn Jahren stand für die Eidgenossenschaft die multilaterale Zusammenarbeit im Vordergrund. In diesem Rahmen finanzierte sie Projekte von internationalen Organisationen. Ihre humanitäre Politik hatte zwei weitere Schwerpunkte: die Unterstützung von privaten Hilfswerken wie dem Roten Kreuz und die Vergabe von Stipendien an ausländische Studierende. In den 1950er-Jahren war die internationale Lage vom Kalten Krieg und vom Zusammenbruch des Kolonialismus in Asien geprägt. Vor diesem Hintergrund beteiligte sich der Bund ab 1954 am Wiederaufbauprogramm in Korea. Faktisch kam dieses Programm jedoch nur Südkorea zugute. 

Erste Schritte des SRK in Asien

Als Beitrag zum Programm der UNKRA entsandte die Schweiz eine Ärztemission in das Spital der Stadt Taegu. Dieses wurde von der UNKRA wiederaufgebaut und mit modernen Einrichtungen ausgestattet. Im Auftrag des Bundesrates rekrutierte das SRK die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mission und leitete den Einsatz. Im September 1954 reiste ein Spezialistenteam nach Südkorea. Es hatte die Aufgabe, das südkoreanische Personal im Betrieb eines Spitals und insbesondere in der Benutzung neuer medizinischer Geräte zu schulen. Zudem wurde einem der Schweizer Ärzte gestattet, in der angegliederten medizinischen Fakultät eine Lehrtätigkeit auszuüben. 

Anfänglich bestand die Schweizer Delegation aus vier Ärzten, sechs Krankenschwestern, einem Verwalter, einer Hausbeamtin, einem Techniker für die Röntgengeräte und einem Installateur. Bereits bei ihrer Ankunft sah sie sich mit grossen Schwierigkeiten konfrontiert. Das Arbeitsumfeld, das die Mitglieder der Mission vorfanden, war «absolut prähistorisch» und weit von dem entfernt, was sie sich vorgestellt hatten. Auch stellten sie rasch fest, dass zwischen der westlichen und der asiatischen Lebens- und Denkweise grosse kulturelle Unterschiede bestehen. Die hochgesteckten humanitären Ideale machten teilweise einer gewissen Ernüchterung Platz. Zudem löste das gegenseitige Unverständnis Spannungen aus und wirkte demotivierend auf die Schweizer Helferinnen und Helfer. Diese stellten den Sinn ihres Einsatzes in Frage: 

«Der Versuch einer beratenden Tätigkeit unserer Mission am Spital von Taegu ist Schwierigkeiten begegnet, die mit der grossen Armut des Landes, mit den schlechten sozialen Verhältnissen, mit der grösstenteils lückenhaften Ausbildung des koreanischen Spitalpersonals und den grundverschiedenen ethischen Begriffen zusammenhängen. So scheint es heute fraglich, ob europäisches Wissen und Können in grösserem Umfange und mit der Aussicht auf dauernde Wirkung vermittelt werden konnte.» (Jahresbericht 1955 des Schweizerischen Roten Kreuzes, S. 47)

Die Anfänge der Entwicklungshilfe

Aufgrund der unerwarteten Umstände war es schwierig, das medizinische Personal in Korea anzuleiten. Die Schweizer Spezialisten mussten ihre Ziele im Bereich der ärztlichen Ausbildung wohl oder übel herunterschrauben. Nur der theoretische und praktische Unterricht, den Marianne Jöhr den Krankenpflegeschülerinnen erteilte, schien zu gewissen positiven Ergebnissen zu führen. Die Jahresbilanz der Ärztemission blieb weit unter den festgelegten Zielen. Der Beitrag von 500'000 Franken, den der Bund für das Wiederaufbauprogramm in Korea bereitgestellt hatte, liess sich damit in keiner Weise rechtfertigen. 

Die Weiterführung der Ärztemission war somit stark gefährdet und wurde Ende 1955 intensiv diskutiert. In Absprache mit dem SRK beschlossen die Bundesbehörden schliesslich, tief greifende Änderungen vorzunehmen, aber eine Präsenz der Schweiz in Korea beizubehalten. Denn die Mission wurde auch als Imagepflege für die Schweiz betrachtet… Allerdings wurde der Personalbestand nun auf das absolute Minimum beschränkt (ein Arzt, eine Krankenschwester und ein Sanitärinstallateur). Das SRK wurde von seiner Führungsrolle entbunden, und die finanziellen Beiträge der Schweiz für die Jahre 1956 und 1957 wurden direkt an die UNKRA überwiesen.

Eine neue Gruppe von drei Schweizer Experten war nun dafür zuständig, die Ausbildungs- und Beratungstätigkeit sowie die technische Unterstützung weiterzuführen und zu konsolidieren. Damit wurde die Arbeit weitergeführt, welche die Schweizer Mission rund 15 Monate zuvor im Spital von Taegu aufgenommen hatte. Diese bescheidenen ergänzenden Hilfsmassnahmen der Schweiz wurden bis Ende 1957 fortgesetzt. Innerhalb des umfangreichen internationalen Programms der UNKRA wurde die Schweizer Ärztemission kaum beachtet. Durch die umfangreiche Medienberichterstattung über die Beteiligung der Schweiz an der neutralen Überwachungskommission für den Waffenstillstand zwischen den beiden Korea (NNSC, Neutral Nations Supervisory Commission in Korea) wurde die Ärztemission auch auf nationaler Ebene in den Schatten gestellt. Letztlich führte die Mission zu zwiespältigen Ergebnissen und einer durchzogenen Bilanz. Doch mit dieser ersten Erfahrung des SRK bei der Ausbildung von Spitalpersonal im Ausland wurde in der Geschichte der nationalen Gesellschaft ein neues Kapitel aufgeschlagen – die Entwicklungshilfe.

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