Der Zweite Weltkrieg lässt sich in verschiedener Hinsicht nicht mit dem Krieg von 1914 bis 1918 vergleichen. Extreme ideologische Auseinandersetzungen, ein unerhörtes Mass an Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung, die Umsetzung eines gross angelegten Vernichtungsplans und der Einsatz von Atombomben führten dazu, dass bis Kriegsende knapp 50 Millionen Tote zu beklagen waren. Angesichts der schrecklichen Dimension dieses Krieges stellte sich eine Frage, die sich wie ein Eingeständnis der Ohnmacht anhörte: Hatte der Wahlspruch des IKRK «Inter Arma Caritas» noch Gültigkeit, war für Menschlichkeit inmitten der Waffen noch Platz?
Aufgrund ihrer Lage im Herzen Europas war die Schweiz nach der Niederlage Frankreichs im Juni 1940 von den Achsenmächten umzingelt und damit weitgehend isoliert. In dieser Situation setzten die Entscheidungsträger auf eine Überlebensstrategie. Diese war zum einen vom Widerstandsgeist geprägt, den vor allem General Guisan verkörperte. Zum anderen wurden im Rahmen der Realpolitik fragwürdige Kompromisse mit Nazideutschland eingegangen. Der Bundesrat, der über weitgehende Vollmachten verfügte, wollte die humanitären Aktivitäten der Schweiz mit den Interessen seiner politischen Strategie in Einklang bringen. Deshalb wurde ein Delegierter des Bundesrates für internationale Hilfswerke ernannt. Damit wurden die humanitären Anliegen der Staatsräson unterstellt, was zu gewissen Friktionen führte. Die humanitäre Komponente wurde so Teil des politischen Arsenals der Schweiz und sogar zu einem wesentlichen Element ihrer Diplomatie.
Die Schweiz, welche die Grundsätze der Neutralität und der Menschlichkeit verband, wurde zum Zufluchtsort für Hunderttausende von bedrohten Menschen. Insbesondere über das Schweizerische Rote Kreuz setzte sie sich auch im Ausland für die Menschen in den kriegsversehrten Ländern ein. Das SRK tat sich in diesem Bereich durch die Aktivitäten einer neuen Hilfsorganisation hervor, die speziell zur Unterstützung kriegsgeschädigter Kinder geschaffen worden war: der Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes. Diese erscheint wohl als besondere humanitäre Aktion, aber zu ihr gehört auch die Tragik, dass vom Tod bedrohte jüdische Kinder von ihr ausgeschlossen waren.