Der Suchdienst SRK... auf den Spuren seiner Entstehung

Wie bei vielen Tätigkeiten des Roten Kreuzes reichen auch die Anfänge des Suchdienstes SRK bis in die Zeit von Henry Dunant zurück. Auf dem Schlachtfeld von Solferino hatte Dunant die letzten Worte von Sterbenden entgegengenommen, um sie an die Angehörigen weiterzuleiten.

Seelisches Leid lindern

Sehr rasch wurde sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bewusst, wie belastend es für gefangene Soldaten und ihre Familien ist, keine Nachricht voneinander zu haben. Schon während des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870 wurde deshalb in Basel eine erste zentrale Suchstelle eingerichtet. Im Genfer Abkommen von 1864 war diese Initiative des IKRK nicht vorgesehen. Doch sie erwies sich als so zweckmässig, dass sie in späteren Konflikten erneut zum Tragen kam.

1939-1945: die ganze Schweiz engagiert sich für die Suche nach Vermissten

Enorme Ausmasse nahm die Arbeit zur Zusammenführung von Familien im Zweiten Weltkrieg an. In diesen Jahren wurden die Mitarbeitenden der Zentralstelle für Kriegsgefangene sehr stark beansprucht. Die Zentralstelle wurde am 14. September 1939 in Genf eröffnet. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen beruhte sie auf einer Rechtsgrundlage – dem Abkommen von 1929 über die Behandlung der Kriegsgefangenen. Ab Juli 1940 entstanden in verschiedenen Städten der Schweiz Zweigstellen, sogenannte Hilfssektionen, um die zahlreichen Abteilungen der Zentralstelle zu entlasten und den Rückstand bei der Bearbeitung der unzähligen Anfragen abzubauen. Die erste Hilfssektion wurde in Luzern gegründet. Weitere folgten in Vevey, Aarau, Zürich, Bern, Morges, Lausanne, St. Gallen, Chur, Troinex, Basel, Nyon, Winterthur, Yverdon, Montreux, Neuenburg, Freiburg, Zug, Lugano, Locarno, Bellinzona, Poschiavo, St. Moritz, Le Locle, Rolle, Chernex, Bulle, Mendrisio, Sitten, Siders, Chippis und La Chaux-de-Fonds.

In der ganzen Schweiz engagierten sich 1000 bis 1400 Freiwillige regelmässig, um den Kontakt zwischen Menschen wiederherzustellen, die der Krieg auseinandergerissen hatte. Diesen Freiwilligen wurden ganz unterschiedliche Aufgaben anvertraut: Erstellen und Ablegen von Karteikarten, Mitteilungen an die Familien, Sortieren der Briefe, Übertragen von Nachrichten, Übersetzungsarbeiten, Nachforschungen nach vermissten Militärpersonen usw. Mit zunehmender Erfahrung arbeiteten die Hilfssektionen immer effizienter und spezialisierten sich entsprechend ihren Sprachkenntnissen auf die Unterstützung bestimmter nationaler Abteilungen. Vertreter dieser Zweigstellen besuchten auch Praktikumstage in Genf, um sich mit der Arbeitsweise der Zentralstelle vertraut zu machen und die Zusammenarbeit zu optimieren.

Der Beitrag, den die Hilfssektionen leisteten, war beträchtlich: Vom 1. August 1940 bis 30. Juni 1947 verfassten sie mehr als eine Million Mitteilungen und erstellten 19 997 000 Karteikarten. Neben den regelmässigen Einsatzteams, die 10 (in Locarno) bis 438 Freiwillige (in Zürich) umfassten, entstanden an einigen Orten Abendgruppen. So konnten sich auch Angestellte, Beamte und Künstler am Ende ihres Arbeitstags an dieser uneigennützigen Aktion beteiligen. Nicht selten brachten die Freiwilligen der Zweigstellen ihr eigenes Material oder ihre eigene Schreibmaschine mit. Die anfallenden Auslagen wurden in der Regel von den Zweigstellen selbst getragen, mit Unterstützung der Gemeindebehörden, der lokalen Vereine oder von grosszügigen Spendern.

Obwohl das SRK nicht direkt am Aufbau der Zweigstellen beteiligt war, schlossen sich verschiedene seiner lokalen Sektionen spontan dieser humanitären Initiative an. In einigen Fällen wie in Lausanne, Chiasso oder Bellinzona wirkte das lokale Rote Kreuz aktiv an der Gründung und Leitung der Zweigstellen mit.

Die Geburtsstunde des Suchdienstes SRK

Der Suchdienst SRK entstand in der Nachkriegszeit. In jenen Jahren gingen im Zentralsekretariat unzählige Suchanfragen von Zivilpersonen und Kriegsgefangenen ein. Die Bearbeitung dieser Anfragen wurde Hedwig Rist übertragen, der Leiterin des neu geschaffenen Dienstes «Individuelle Hilfe». Im Jahresbericht des SRK von 1947 wird diese Tätigkeit erstmals erwähnt:

Die Nachforschungen für Zivilpersonen führen wir in Verbindung mit den betreffenden ausländischen Rotkreuzgesellschaften selbst durch. Die Nachforschungen für Kriegsgefangene übergeben wir dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, mit Ausnahme jener, die im russischen Hoheitsgebiet durchzuführen sind. Dank unserer Verbindung mit der Gesellschaft vom Roten Kreuz und Roten Halbmond der USSR ist es uns in 108 Fällen gelungen, Nachrichten über Kriegsgefangene in der Sowjetunion zu vermitteln.

Ab 1944 verbot der Kreml seinem Roten Kreuz, Beziehungen zum IKRK zu unterhalten. Deshalb übernahm das SRK die Weiterleitung von Nachrichten zwischen den sowjetischen Suchdiensten und jenen in den besetzten Gebieten in Deutschland. Bis Anfang der Fünfzigerjahre leitete das SRK mehrere tausend Mitteilungen zu Suchanfragen weiter, die an der Ostfront verschollene Soldaten und Kriegsgefangene betrafen. Die Erleichterungen, welche die verschiedenen Beteiligten dem SRK gewährten, und das Vertrauen, das ihm geschenkt wurde, sind auch dem tatkräftigen Einsatz energischer SRK-Vertreterinnen wie Marion van Laer zu verdanken. Die Bernerin hatte sich während des Kriegs als Rotkreuzfahrerin engagiert. Ab 1946 setzte sie sich für die Kinderhilfe in Deutschland und später für Flüchtlinge in russischen Lagern ein. Aufgrund ihrer Position und ihres Netzwerks erhielt sie zahlreiche Suchanfragen von verschiedenen Seiten, die sie an die zuständigen Stellen weiterleitete. Allmählich wurde das SRK einbezogen, um diese Anfragen zu beantworten und selbst Nachforschungen anzustellen.

Im Lauf der Zeit erwies es sich als hilfreich, dass innerhalb des SRK eine eigene Stelle bestand, um die Verbindungen zwischen Familien wiederherzustellen. Dies zeigte sich vor allem, als Ende der Fünfzigerjahre Tausende von ungarischen Flüchtlingen in die Schweiz strömten. Ab 1958 entwickelte sich der Suchdienst SRK zu einer eigenständigen Dienstleistung und löste sich vom Dienst «Individuelle Hilfe», der damals unter der Leitung von Henriette de Steiger stand. Bis dahin waren fast ein Drittel der rund 2000 Nachforschungsanträge gelöst, die dem Dienst anvertraut worden waren.

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