Krieg auf dem Balkan
Ende des 19. Jahrhunderts erlitt das Osmanische Reich, das als «kranker Mann Europas» bezeichnet wurde, zahlreiche Gebietsverluste. In zwei aufeinanderfolgenden Konflikten in den Jahren 1912 und 1913 gegen die Volksgruppen der Bulgaren, Serben, Griechen und Montenegriner wurde es schliesslich aus dem Balkan vertrieben.
Eine Vielzahl von humanitären Initiativen
Damals verfügte das Schweizerische Rote Kreuz über keine namhaften finanziellen Reserven. Um einen Hilfseinsatz auf dem Balkan durchführen zu können, war es auf die Grosszügigkeit der Schweizer Bevölkerung angewiesen. Der Spendenaufruf des SRK in 180 Schweizer Zeitungen stiess in der Bevölkerung und bei den kantonalen Sektionen auf ein sehr positives Echo. Bereits vor dem Aufruf des Zentralkomitees waren die Sektionen aus eigener Initiative aktiv geworden. So waren die Spenden, die das Rote Kreuz im Kanton Freiburg sammelte, speziell für verwundete bulgarische Soldaten bestimmt. Die Rotkreuzsektionen Waadt und Genf stellten mit den gesammelten Mitteln eine Sanitätseinheit zusammen, die in Griechenland zum Einsatz kam.
Verschiedene private Initiativen, die mit grossem Elan lanciert wurden, kamen den Massnahmen des nationalen Roten Kreuzes zuvor. So bat die Schweizer Kolonie in Konstantinopel das SRK um Unterstützung, um verwundete türkische Soldaten zu versorgen. Auch drei Basler Ärzte beriefen sich für eine geplante Ärztemission in Serbien auf das SRK. Das Ergebnis der Spendenaktion, die ab 24. Oktober 1912 lief, war sehr erfreulich: Innerhalb weniger Monate kamen 168'213 Franken zusammen. Schliesslich konnte das Schweizerische Rote Kreuz vier Ärztemissionen auf die Kriegsschauplätze in Serbien, Albanien, Montenegro und Bulgarien entsenden.
Die Sanitätseinheit Waadt und Genf für Griechenland
Der medizinische Einsatz in Griechenland ging auf eine Initiative zurück, für die sich private Kreise mit den Rotkreuzsektionen Waadt und Genf zusammengeschlossen hatten. Dieser Hilfseinsatz genoss starken Rückhalt in der Bevölkerung: In den beiden Kantonen am Genfersee wurden über 50'000 Franken gesammelt. Unter der Leitung des Genfer Chirurgen Albert Reverdin trat die Sanitätseinheit der Rotkreuzsektionen Waadt und Genf am 9. November 1912 die Reise nach Athen an. Ihre 14 Mitglieder wurden einem Militärspital in der Region Epirus zugewiesen. Dort versorgten sie bis zum Ende der Kampfhandlungen im März 1913 verwundete griechische Soldaten. Während dieses fünfmonatigen Einsatzes behandelte das «Schweizer Spital» 2137 Verwundete.
Die Basler Ärztemission in Serbien
Am 25. Oktober 1912 beschlossen die drei Basler Ärzte Eduard Stierlin, Adolf Vischer und Christoph Socin, nach Serbien zu reisen, um ihr chirurgisches Können in den Dienst von Kriegsverletzten zu stellen. Zunächst arbeiteten sie während einiger Zeit in einem Spital in Belgrad. Nach der Einnahme der Stadt Skopje durch die serbischen Truppen verlagerten sie ihre Tätigkeit dorthin. Zuletzt engagierten sie sich unweit der Frontlinie in der Stadt Monastir, dem heutigen Bitola. Dabei handelte es sich um die einzige ausländische Ärztemission, der erlaubt wurde, an der serbischen Front zu arbeiten. Dank diesem Einsatz konnten die Schweizer Ärzte ihre Kenntnisse im Bereich der Kriegschirurgie in einer Zeit vertiefen, in der die modernen Waffen zu neuartigen Verletzungen führten. Da die drei Basler über eine offizielle Empfehlung des SRK verfügten, erhielten sie kurz vor ihrer Rückkehr in die Schweiz am 23. Dezember medizinisches Material und Lebensmittel aus Bern.
Die Einsätze des SRK
Ursprünglich hatte das SRK nicht geplant, medizinisches Personal auf den Balkan zu entsenden. Daher beschränkte es seine Massnahmen zunächst auf die Lieferung von Hilfsgütern (Medikamente, Kleider, Lebensmittel usw.). Doch im Januar 1913 ersuchte Serbien das SRK um Hilfe. Unter der Leitung des Berner Arztes Paul Niehans wurde ein erstes Team aus Schweizer Ärzten und Krankenschwestern zusammengestellt. Diese reisten am 8. Februar 1913 nach Serbien, wo sie während dreier Monate in verschiedenen Spitälern unzählige Verwundete versorgten. Parallel dazu organisierte das SRK eine zweite Ärztemission, die während zweier Monate in der Stadt Durazzo (Durrës) an der Adriaküste eingesetzt wurde. An dieser Mission waren erneut die Basler Chirurgen Stierlin und Vischer beteiligt. Schliesslich entsandte das Schweizerische Rote Kreuz zwei weitere Ärztemissionen nach Bulgarien und Montenegro.