Der Burenkrieg: erster Hilfseinsatz im Ausland

Von 1899 bis 1902 wurde auf dem Gebiet des heutigen Südafrika ein bewaffneter Konflikt zwischen dem Britischen Weltreich und den Republiken Oranje-Freistaat und Transvaal ausgetragen. Diese Gebiete waren damals von Buren besiedelt, den Nachkommen der ersten niederländischen Kolonisten. Die Kampfhandlungen führten zu schweren Zerstörungen und kosteten unzählige Menschenleben: 7000 bis 8000 burische Kämpfer und rund 22'000 britische Soldaten wurden in den Auseinandersetzungen getötet. 

Wegen Krankheiten und Unterernährung fanden auch viele Zivilpersonen den Tod. Im Verlauf des Krieges wurden 100'000 bis 120'000 Buren, die von ihren Farmen vertrieben worden waren, sowie Schwarzafrikaner in sogenannten Konzentrationslagern festgesetzt. Diese mit Stacheldraht umzäunten Zeltlager dienten anfänglich dazu, die Zivilbevölkerung zusammenzuführen. Doch schon nach kurzer Zeit wurden sie zu eigentlichen Hafteinrichtungen umfunktioniert. Aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen, die dort herrschten, kamen Tausende von Menschen ums Leben.

Allen Widerständen zum Trotz

Das IKRK und zahlreiche nationale Rotkreuzgesellschaften boten ihre Hilfe an. Sie entsandten medizinisches Personal und stellten Sanitätsmaterial, Lebensmittel und finanzielle Mittel zur Verfügung. Für das Schweizerische Rote Kreuz war dies der erste Einsatz im Ausland. In den Zeitungen wurde ein Spendenaufruf lanciert, um die Schweizer Bevölkerung für das Leid der Opfer dieses Krieges zu sensibilisieren. Durch diese Spendenaktion kamen über 65'000 Franken zusammen. Damit konnte eine Ärztemission nach Südafrika entsandt werden, an der die Ärzte Jacques de Montmollin aus Neuenburg, René König aus Bern und Fritz Suter aus Aarau teilnahmen. 

In seinem sehr anschaulichen Bericht über den Auslandeinsatz beschrieb Jacques de Montmollin die lange Reise von der Schweiz ins südliche Afrika: Am 29. Januar 1900 machte sich die Schweizer Delegation in Bern auf den Weg. In Neapel ging sie an Bord eines Schiffs, das nach der Fahrt durch den Suezkanal der Ostküste Afrikas entlangfuhr. Nach Zwischenhalten in Mombasa, Sansibar, Daressalam, Tonga, Mosambik und Beira traf die Schweizer Ärztemission schliesslich am 8. März in Pretoria ein, der Hauptstadt der Republik Transvaal. Vor Ort wurde die Schweizer Delegation durch Bürokratie und behördliche Schikanen vor grosse Probleme gestellt, die den Erfolg ihrer Mission gefährdeten. In seinem Bericht empörte sich der Neuenburger Arzt: «Man sollte den Kriegsopfern Hilfe leisten können, trotz und entgegen der Meinung dieses bürokratischen Gewürms.»

Nach verschiedenen unvorhergesehenen Ereignissen konnten sich die drei Ärzte endlich ihrer Arbeit widmen. Zuerst kümmerten sie sich im Lager Watervaal um die medizinische Versorgung von britischen Kriegsgefangenen, die an Typhus, Ruhr und Malaria litten. In diesem Lager behandelten sie insgesamt 1400 kranke Soldaten. Im April wurden Jacques de Montmollin und René König in einem grossen, luxuriös ausgestatteten Spital in der Nachbarstadt Johannesburg eingesetzt. Dort versorgten sie Hunderte von Kranken und Verwundeten. Dieser Einsatz bot den Schweizer Ärzten Gelegenheit, sich im Detail mit der Kriegschirurgie, den verschiedenen Arten von Schussverletzungen, den in der Region verbreiteten Krankheiten und den Behandlungsmethoden von Ärzten aus anderen Ländern zu befassen. 

Verbreitung der Rotkreuzgrundsätze

Fritz Suter begab sich unterdessen auf eigene Faust an die Front. Er organisierte einen Sanitätswagen, der von einem Dutzend Pferden und Maultieren gezogen wurde. Damit suchte er verschiedene Orte in der Nähe der Kampfhandlungen auf, um kranke und verwundete Soldaten zu versorgen. Dabei nahm er beträchtliche Risiken auf sich. Die Briten nahmen ihn gefangen und hielten ihn während einiger Zeit fest. Damit begingen sie einen schweren Verstoss gegen den Grundsatz der Neutralität des medizinischen Personals, der im Genfer Abkommen verankert ist. 

In seinem Schlussbericht über den Einsatz fasste der Neuenburger Arzt drei Hauptkritikpunkte stichwortartig zusammen: «Verspätete Abreise. Unzureichende finanzielle Mittel. Ungenügende Vertrautheit mit den afrikanischen Sitten und Gebräuchen.» Ausserdem hielt er fest, dass das Rotkreuzzeichen in vielen Fällen missbraucht und missachtet worden sei. Dennoch zog er zum Schluss eine optimistische Bilanz: 

«Trotz der Verstösse, die von den verschiedenen Kriegsparteien im südlichen Afrika vorsätzlich oder unabsichtlich begangen wurden, wirkte sich das Genfer Abkommen höchst segensreich aus. Ich bin überzeugt: Würden die Armeen in Friedenszeiten grundlegende Kenntnisse zu den Rotkreuzgrundsätzen vermitteln, gäbe es keine jugendlichen Spassvögel und gedankenlosen Witzbolde mehr, die mit den geschützten Abzeichen des Roten Kreuzes Unfug treiben oder sie entwürdigen.» 

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