Die Hilfskolonnen des SRK

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sich das SRK bewusst, welche Bedeutung eine Unterstützung durch die öffentliche Hand hätte: Mit regelmässigen staatlichen Beiträgen könnte der permanente Mangel an finanziellen Mitteln überwunden werden. Zugleich würde eine engere Zusammenarbeit mit der Armee höhere Effizienz gewährleisten. Walther Sahli, der den Schweizerischen Centralverein vom Roten Kreuz seit 1898 leitete, hatte das schon früh erkannt. 

Als Offizier und Arzt konnte Sahli die Mängel bei den Sanitätsdiensten der Armee und die Unzulänglichkeiten in der Ausbildung der Krankenpflegerinnen sehr gut beurteilen. Dank seinem geschickten Vorgehen gelang es ihm, die Unterstützung der Schweizer Behörden zu gewinnen, die Stellung des SRK innerhalb der Sanitätstruppen der Armee zu festigen und zugleich die Berufsbildung im Bereich der Krankenpflege auszubauen. 

Bundesbeiträge als Gegenleistung für den Einsatz von Rotkreuzschwestern in der Armee 

In einer Petition an die eidgenössischen Räte beantragte Sahli am 17. April 1902 einen Bundesbeitrag, um dem Roten Kreuz zu ermöglichen, die freiwillige Sanitätshilfe zu Kriegszwecken zu organisieren. Dieses Ersuchen wurde positiv aufgenommen: Angesichts des Mangels an Personal und Material beim Sanitätsdienst der Schweizer Armee entsprach die Petition einem echten Anliegen. Dies führte zum Bundesbeschluss vom 25. Juni 1903, der für die Entwicklung des SRK in den nachfolgenden Jahrzehnten von entscheidender Bedeutung war. 

Gemäss diesem Bundesbeschluss richtete der Bund Beiträge an die Krankenpflegeschulen aus, die vom SRK anerkannt waren und von diesem überwacht wurden. Im Gegenzug verpflichteten sich diese Schulen, den Sanitätstruppen im Kriegsfall zwei Drittel ihrer Absolventinnen zur Verfügung zu stellen. Der Bund gewährte dem SRK für die Ausbildung von Pflegepersonal jährlich 45'000 Franken. Ein Teil dieser Summe wurde allerdings für den Aufbau von Transportkolonnen für verwundete Soldaten verwendet. Diese sogenannten «Rotkreuzkolonnen» hatten den Auftrag, im Fall eines Krieges verwundete Soldaten zu bergen und in die Spitäler zu bringen. 

Von der Verpflichtung von Freiwilligen zur Rekrutierung von «Rotkreuzsoldaten»

Die ersten Rotkreuzkolonnen wurden 1904 in den Rotkreuzsektionen Zürich und Bern geschaffen. Sie bestanden ausschliesslich aus männlichen Freiwilligen, die zum Landsturm gehörten. Vom 6. bis 13. November 1904 wurde in Basel der erste «Zentralkurs zur Ausbildung von Mannschaften für schweizerische Sanitätshülfskolonnen» durchgeführt. Fast 100 Freiwillige nahmen daran teil.

An acht bis neun Stunden pro Tag wurden nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt, sondern auch praktische Übungen durchgeführt. Die Kursteilnehmer lernten unter anderem, improvisierte Tragbahren anzufertigen und Verwundete in Sanitätswagen zu laden. Mit einer Ausnahme gehörten sie alle einer Rotkreuzsektion, einem Samariterverein oder den Sanitätstruppen an. Insgesamt absolvierten 29 Berner, 28 Zürcher, 11 Basler, 6 St. Galler, 6 Glarner, 5 Luzerner, 4 Genfer, 4 Solothurner, 2 Aargauer, 2 Schaffhauser, 2 Zuger und 1 Thurgauer diesen Kurs. Am Ende der Ausbildungswoche sprach der Kursleiter Oberst Isler «seine Befriedigung über die geleistete Arbeit in anerkennenden Worten aus; er dankte allen denen, die in irgendeiner Weise durch ihre Mitarbeit zum Gelingen des Kurses beigetragen und so im Sinn und Geist der grossen Idee des Roten Kreuzes gewirkt hatten zu Nutz und Frommen des Vaterlandes». (Das Rote Kreuz, 1.12.1904)

Der zweite zentrale Ausbildungskurs fand im folgenden Jahr in der Kaserne Basel statt. Diesmal wurden deutlich weniger Freiwillige ausgebildet (nur 47 Teilnehmer). In Bezug auf die Anerkennung dieser neuen Einheiten war ein beträchtlicher Fortschritt zu verzeichnen: Alle Männer wurden mit einer Uniform ausgerüstet. Zu dieser gehörten unter anderem eine spezielle Kopfbedeckung mit dem Rotkreuzzeichen und ein Leibgurt mit Instrumententasche. Regelmässiges Training, eine nahezu militärische Ausrüstung, die Zusammenarbeit mit den Sanitätsdiensten der Armee, Disziplin, Patriotismus, Korpsgeist… Wo liegt die Grenze zwischen freiwilligem Engagement und Eingliederung in die Armee? Wurde das Rote Kreuz von der Armee instrumentalisiert oder gar ihr unterstellt? Ging die Entwicklung in Richtung einer Militarisierung des Roten Kreuzes? 

Ende 1905 verfügten bereits vier Sektionen über eine eigene Rotkreuzkolonne: Aarau (29 Mann), Bern (38 Mann), Glarus (23 Mann) und Basel. Dank der aktiven Werbung in den Sektionen konnten am 1. August 1914, dem Tag der allgemeinen Mobilmachung, zwölf Rotkreuzkolonnen in Dienst gestellt werden.

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